Liebe Johanna. Der historische Buddha: es kommt sehr duraaf an, was man unter diesem Begriff versteht. Das ist ein weites Feld. In aller Kfcrze aber kann man vielleicht zwei Betrachtungen unterscheiden.1) Historisch bedeutet die Wandelbarkeit und Bedingtheit menschlicher Kultur. Das Bewusstsein davon, dadf kulturelle Phe4nomene einen Geschichte haben, also durch Situationen, Techniken, Denkpraktiken usw. gepre4gt sind und einen bestimmten Charakter erhalten. In diesem Sinne hat es mit Sicherheit im 4. Jhdt. v. Chr. ein Phe4nomen gegeben, das mit dem zusammen he4ngt, was wir heute Buddhismus nennen. Das ist ein Geschichtsverste4ndnis, das heute allgemein vertreten wird 2) Der historische Buddha als zweifelsfrei zu identifizierende Persf6nlichkeit, als Religionsstifter, als konkreter Mensch der konkret unter einem Baum sadf und meditierte oder dies und jenes genau so und so tat und sagte, ist etwas ganz anderes. Die so gedachte historische Persf6nlichkeit verschwindet, je weiter wir in die Vergangenheit zurfcckzugehen versuchen in einem zunehmenden Nebel von Unwe4gbarkeiten. Dies hat mit Punkt 1) zu tun. Mit dem Abstand in der Zeit, vergrf6dferte sich auch der kulturelle Abstand. Damit vere4ndert sich das Denken selbst. Und das ist der springende Punkt: Mit dem sich vere4ndernden Denken selbst werden Dinge die gedacht wurden undenkbar.Das hf6rt sich paradox an, ist aber ein unfcberbrfcckbarer Abgrund, den wir nicht mehr fcberwinden kf6nnen. Wir denken zwar heute Buddhismus, aber wir denken ihn so wie wir heute eben denken kf6nnen und nicht wie er damals vielleicht gedacht wurde. Das wird zum Beispiel deutlich, wenn man sich damit befasst wie unsere Form der Individualite4t heute historisch entstand: Das was mich heute ausmacht hat eine Geschichte. Das was wir heute z.B. Ego nennen und was ffcr alles herhalten muss, was X-Buddhisten gerne loswerden mf6chten, hat eine Geschichte die ganz spezifisch in unserer jfcdisch-christlichen Kultur angelegt ist.Gerade diese Idee aber, die Idee der Kultur als etwas, das das denken Selbst wandeln kann, mag ein spezifisch buddhistischer Gedanke gewesen sein, der sich in unserer vom griechischen Denken ausgehenden Kultur so nicht fand: Das bedingte Entstehen oder die Leerheit als eine ge4nzlich andere Form des Denkens im Gegensatz zu unserem Substanzdenken. Damit befinde ich mich wieder in einem Paradox, denn wenn ich einerseits sage, ich kann nicht denken was die damals dachten, kann ich andererseits nicht von einem spezifisch buddhistischen Gedanken reden. Dieses Paradox aber ergibt sich nur auf der Ebene des Denkens als einer unwandelbaren Substanz, nicht aber wenn ich das Denken selber als einen historischen Prozess zu sehen beginne: dann lf6st sich das das Substanzhafte in eine Bewegung die ihre Bedingtheit anerkennt und diese Bedingtheit dann nicht mehr als Nachteil sondern ganz im Gegensatz als Vorteil sieht. In diesem Sinne gab es nicht einen historischen Buddha, sondern es gibt einen.Die Bedingtheit des Denkens als Vorteil gesehen, wird dann fcbrigens auch zu einem politischen Aspekt. Das Denken kann sich e4ndern, dadf heisst die Verhe4ltnisse kf6nnen sich e4ndern, das heisst der historische Buddha den es jetzt gibt, der jetzt existiert, wird zu einem Politikum.
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